1 Holzbrücken im Emmental Hanspeter Buholzer Daniel Fuchs (Bilder) ONLINE-AUSGABE
Moosegg BURGDORF Oberburg Hasle Lützelflüh ramsei Rüderswil lauperswil Signau a Bowil Zäziwil Grosshöchstetten Konolfingen Biglen Walkringen Oberdiessbach E m m e E m m e R 17 20 22 21 23 24 GESCHICHTE Mittelalter unterwegs Staubpisten und Schlammbahnen S. 7 Gnädige Herren «Wir Jnnen vergönnt haben die Brück zu machen» S. 9 Brückenzoll «Ein jeder Möntsch so über die Brügg gat soll geben» S. 11 Jochbrücken Holzpfähle und Joche S. 13 Barock Zimmermeister Der «Generalunternehmer» S. 15 Brücken üppig und mächtig S. 17 Stämme Fichte, Tanne, Eiche S. 19 Balken Rundstämme zu Kanthölzern S. 21 Abbund Zusammensetzen leicht gemacht S. 23 Verbindungen Holznägel und Zapfen S. 25 Dach Schutz und Stabilität S. 27 Bedeckung Schindeln und Ziegel S. 29 Konstruktion Spreng- und Hängewerke S. 31 19. Jahrhundert Unterwegs «Oft entstuhnden die grässlichsten Unglücke!» S. 33 Nachfrage Holz in rauhen Mengen S. 35 Freier Handel Plündern und Hudeln S. 37 «Wassernoth» Das Ende einer Epoche S. 39 Ingenieure Baukunst und Statik S. 41 Bogenbrücken «ohne Joch und nur mit einem Bogen» S. 43 Klassizismus rechtwinklig und gerade S. 45 neue Brücken Bauboom dank neuen Strassen S. 47 20. + 21. Jahrhundert Zollbrücke «Ein Wahrzeichen gut- schweizerischer Eigenart» S. 49 Kämpfe «Den Hass bereits mit der Muttermilch eingesogen» S. 51 Versetzungen Tonnen in Bewegung S. 53 Opfer Lastwagen statt Pferdefuhrwerke S. 55 Renaissance Ökologie und Technologie S. 57 Verleimungen Brettschichtverleimung S. 59 Verbindungen rostfrei, hochfest, eingenutet S. 61 Transport schwebende Tonnen S. 63
Napf Lüderen Fritzeflue Blappach Pfyffer Schibe- gütsch Schallenberg Zollbrück langnau Schüpbach Aeschau eggiwil Röthenbach Marbach Schangnau bumbach Trub Trubschachen Escholzmatt Sumiswald Wasen affoltern E m m e m m e I l f i s I l f i s T r u b R ö t h e n b a c h G r ü e n e S c h w a n d b a c h 1 2 3 6 5 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 7 18 25 27 26 28 29 32 19 32 33 Hohgant 30 4 Burgdorf Q Wynigenbrücke S. 67 Q Neumattbrücke S. 71 1 2 Röthenbach Q Rambachbrücke S. 129 16 Signau Q Schüpbachbrücke S. 157 Q Brunnmatt S. 161 24 24 Trub Q Sidelenbrücke S. 173 Q Schachenhaus S. 177 27 28 Trubschachen Q Ölibrücke S. 181 Q Steinbach S. 185 Q Krümpelbrücke S. 189 Q Ilfissteg S. 193 29 30 31 32 Schangnau Q Kemmeriboden S. 133 Q Schwandbrücke S. 137 Q Mülibrücke alt S. 141 Q Stegmattbrücke S. 145 Q Mülibrücke neu S. 149 Q Räbelibrücke S. 153 17 18 19 20 21 22 Lauperswil Q Obermattbrücke S. 117 13 Lützelflüh Q Gohlhausbrücke S. 121 Q Lützelflühbrücke S. 125 14 15 Sumiswald Q Murbrücke S. 165 Q Schwandbach S. 169 25 26 Eggiwil Q Geissbachbrücke S. 77 Q Buchschachen S. 81 Q Dörflibrücke S. 85 Q Dieboldswil S. 89 Q Horbenbrücke S. 93 Q Aeschaubrücke S. 97 Q Bubeneibrücke S. 101 3 4 5 6 7 8 9 Hasle-Rüegsau Q Haslebrücke S. 105 10 Langnau Q Ramsernbrücke S. 109 Q Moosbrücke S. 113 11 12
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5 Holzbrücken im Emmental ie Entwicklung des Holzbrückenbaus in der Schweiz lässt sich lückenlos über Jahrhunderte hinweg bis in die Gegenwart verfolgen. Von den Zerstörungen zweier Weltkriege verschont, bietet die Schweiz eine europaweit einzigartige Konzentration von gedeckten Holzbrücken, und zwar vom Mittelalter bis in die heutige Zeit. Eine besondere Dichte von Holzbrücken dieser Art ist im Emmen- tal zu finden. Von den heute rund 230 Holzbrücken in der Schweiz sind deren 36 in einem Gebiet zu finden, das flächenmässig weniger als 2 Prozent des Landes einnimmt. Die heute noch vorhandenen Teile der ältesten Emmentaler Holzbrücke sind über 400 Jahre alt, die jüngste Brücke wurde drei Jahre vor der Drucklegung dieses Buches geboren. Im Emmental präsentiert sich die Entwicklung des Holzbrückenbaus: beginnend mit den üppigen barocken Brücken der Zimmerleute über die kühnen Bogenbrücken der Ingenieure des 19. Jahrhunderts bis hin zu den modernen Brückenbauwerken unserer Zeit. Jede Brücke hat ihre Eigenart, ihre Geschichte und ihren Charakter. Eingebettet in eine weitgehend intakte Umgebung, fügen sich die Bauwerke zu einer beeindruckenden und faszinierenden Brückenlandschaft zusammen. Dieses Buch vermittelt im ersten Teil einen Gesamtüberblick über die geschichtliche Entwicklung, im zweiten Teil werden die heute 32 Holzbrücken in Wort und Bild vorgestellt, der Anhang vermittelt einen Einblick in der Geschichte des Holzbrückenbaus in der Schweiz und listet alle gedeckten Holzbrücken dieses Landes auf. D Vorwort Langnau im Herbst 2016 Hanspeter Buholzer Das Buch enthält einige reizvolle sprachliche Besonderheiten, die vor allem im oberen Emmental verwendet werden und die es zu erhalten gilt (zum Beispiel «im» statt «in» Eggiwil). Sensible Puritaner mögen mir verzeihen, mea culpa!
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7 Holzbrücken im Emmental VERKEHR ie ersten befahrbaren Strassen im Kanton Bern bauten die Römer. Leider nicht im Emmental, das damals noch nicht besiedelt war, sondern in den Ebenen des Berner Mittellandes. Der Zustand der mitteralterlichen Strassen im Emmental war desolat. Je nach Witterung verwandelten sich die vorher löchrigen Staubpisten in tiefe Schlammbahnen, die mit Wagen nicht befahrbar waren. Für den Unterhalt waren die Anstösser und die am Weg liegenden Gemeinden verantwortlich. Da diese jedoch von den Überlandstrassen keinen unmittelbaren Nutzen hatten, zeigten sie wenig Interesse an der mühsamen und zudem schlecht oder gar nicht bezahlten Arbeit. Regelmässig wurden die Gemeinden von der Regierung gemahnt, so in einem «offenen Brieff an die von Signow» im November 1500 mit der Aufforderung, «die wegsame by ihnen zu bessern». Bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts gab es oberhalb von Burgdorf keine einzige befahrbare Brücke, sondern nur Stege, die nur zu Fuss oder von Ross und Reitern benutzt werden konnten. Die meist schwankenden Bauwerke waren bei Hochwasser unpassierbar oder wurden oft weggerissen. Hinzu kam im Winter die Vereisung, was die Benutzung ebenfalls gefährlich machte. Der Fuhrverkehr war entsprechend mühsam, und das Durchqueren der Furten in den unverbauten Flüssen stellte die Fuhrleute vor immer neue Schwierigkeiten. Folgerichtig wurden Fahrten entlang der Flussläufe nach Möglichkeit vermieden. Bis zum Bau von Talstrassen führten die Wege den Geländeterrassen entlang und über die Hügel. So gelangte man von Langnau über die höher gelegene Häleschwand nach Signau und weiter nach Bern. Niklaus Leuenberger führte 1653 sein Bauernheer von Lützelflüh über den Wägesse nach Bern. Fuhrverkehr von Langnau durchs Entlebuch nach Luzern war vor dem 19. Jahrhundert nicht möglich. D Die 1578 erschienene Wandkarte des Berner Stadtarztes Thomas Schöpf galt bis Ende des 18. Jahrhunderts als die bedeutendste Gebietskarte des Staates Bern. Aufgeführt sind die Räbelibrücke im Schangnau, die Sorbach- und die Heidbühlbrücke (1553) im Eggiwil, die Schüpbachbrücke (1550) bei Signau, die Ilfisbrücke (1560) in Langnau und die Zollbrücke bei Lauperswil (1552). Ebenfalls aufgeführt sind die beiden gedeckten Brücken von Burgdorf: die äussere Wynigenbrücke (1558) und die Heimiswilbrücke (1533). Mittelalter O
8 Buholzer/Fuchs «Wir Der Statthallter unnd Rhatt zu Bernn khundtt mitt disem Brieff, das vor unns erschinnen sind der Ersammen unnserer liebenn getrüwenn, der Kilchspelln Trachsellwald, Lanngnouw, Trub, Louperswyll, Rüderswyll Erbar pottenn unnd gabennd unns Innamen gemeiner Kilchgnossen zu erkhennenn gebenn, wie sy gemeiner Lanndschafftt, unnd Insonders Inenn zu guttem, und damitt sy Inn fürö unnd anndernn Infallenndenn nödtenn dest kommenlicher zu einanndernn kommenn, hellffenn unnd rettenn mögind, anngesächenn gabind, ein Brück über die Aemmen gegenn Louperswyll, uff Jrenn eignenn Kostenn, unnd ann unnser Zuthun unnd stür ze machen Mitt demüttiger pitt Jnnen söllichs gnädigklich nach ze lassenn, unnd sich begebenn, die ann mercklichs entgelltnus unnd beladnus, für unnd für Jnn Eerenn ze halltenn unnd gar niemannds weder frömbdenn noch heimschenn kein Zoll von siner eignenn Hab, Lyb unnd gutt abzevordernn noch ze nemmenn dann allein von Kouffmanns gütternn, die uff fürkouff, koufftt unnd wider verkaufftt werdennd. Unns heimsitzende denselbigenn Zoll von Kouffmanns gütternn ze ordnenn unnd bestimmen unnd Jnenn den us gnadenn vordernn unnd Jnnemmen ze lassenn damit sy dieselbige Brück ewigklich Jnn Buw unnd Eerenn halltenn mögind. Uff söllichs Jr pitt wir Jnenn vergönnt habenn obgemeldte Brück ze machen, doch mitt heitternn gedingenn unnd fürworttenn. Erstlich das sy den Zoll so wir ordnenn unnd bestimmenn, unnd In einem Rodell stellenn werdenn, vordernn unnd Jnnemenn mögind, unnd nitt wytter noch mer. Zum anndern das sy die Brück jetz machind, unnd hienach Jn buw unnd Eerenn ane unnser unnd merklichs zuthun stür unnd hillff erhalltind. Zum drittenn, das sy unnd Jr nachkommenn, unns zu erkhanndtnus von diser nachlassung unnd Oberherrligkeytt wegenn Järlich ann
9 Holzbrücken im Emmental 19. Jahrhundert Mittelalter unnser Schloss Trachsellwald fünff schilling pfennig zu rechtem ewigenn Zins gebind unnd usrichtind. Zum vierdtenn das sy sich für sich, Jr Erbenn unnd nachkommenn, gegenn unns unnd unnsernn nachkommen verschrybind, unnd bis Brieff unnd Sigell gebind, allenn unnd Jedenn oberlütertenn vorbehalltungenn unnd gedingenn, ane allenn Intrag unnd widerred, ze geläbenn unnd nachzekommenn. Unnd zu letzt gäbenn wir unns mitt heitternn usgetrucktenn Wortenn, mindrung, änndrung, gänntzliche abkündung unnd Absatzung diser nachlassung, die nach unnsernn unnd unnserer nachkommen Willenn unnd gevallenn, jeder Zyt ze thun vorbehalltenn. In Krafftt dis Brieffs, den wir mitt unnserm annhänngendem Sigell verwarrt habenn. Geschächenn Samstags letztenn tag Wynmonadts, Nach Christi Jesu unnsers Herren unnd einigenn Heyllands gepurt, Gezallt Thusenndt fünffhundertt fünffzygk unnd ein Jar.» m Verlauf des 16. Jahrhunderts nahm die Bevölkerungszahl im Emmental rasch zu. Bedingt durch ein Erbrecht, wonach der jüngste Sohn das elterliche Bauerngut ungeteilt erhält, gab es viele nicht erbberechtigte Geschwister, die sich zuhause als Knechte und Mägde verdingen oder anderswo ihr Glück suchen mussten, wie in den unbevölkerten Flussebenen (Schachen). Die Schachenleute gehörten zum ländlichen Proletariat und bildeten die unterste Klasse. Darüber angesiedelt waren die Taglöhner und Kleinbauern sowie ausbezahlte Geschwister. Sie wohnten in einzelnen kleinen Häusern mit einem Stall oder einer Scheune, wo sie auch eine Kuh, einige Ziegen oder Schafe halten konnten. Ab 1520 nahm der Bevölkerungsdruck zu, was zur wilden Besiedelung der Schachen durch die Armen führte. Eigentümerin des Schachenlandes war die Regierung, an die Gesuche für den Bau von neuen Brücken gerichtet werden mussten. 1550 erhielten in Schüpbach sechs Bauernhöfe die Erlaubnis der Obrigkeit, gemeinsam eine gedeckte Brücke über die Emme bauen zu dürfen. Ein Jahr später wurde der Bitte der Kirchspiele von Trub, Langnau, Lauperswil, Rüderswil und Trachselwald, eine Brücke bauen zu dürfen, damit sie «zu einnanndernn kommen, helffen und retten mögind», nachgegeben. Die 1552 erbaute Brücke ruhte auf vier Jochen und wurde nicht rechtwinklig, sondern schräg auf um zehn Meter versetzten Widerlagern gebaut. Der Beitrag der Regierung beschränkte sich auf die Lieferung von «knöpff, stangen und vennli» mit aufgemalten Bären für die neue Brücke. Die Lauperswilbrücke – die heutige Ortschaft Zollbrück existierte damals noch nicht – erhielt rasch grosse Bedeutung für Handel und Verkehr, so dass sich schon 1565 eine Wirtschaft etablierte. Die Schenke bekam schnell einen schlechten Ruf, so musste sich das die Sittlichkeit überwachende Chorgericht häufig mit «Überwirten, Spielen, wüstem Treiben, Tanzen, Musizieren und Streiten» befassen. I Im «Brüggbrief der gnädigen Herren von Bern», ausgestellt am Samstag, dem 31. Oktober 1551, erteilte die Obrigkeit den fünf Gemeinden Trachselwald, Langnau, Trub, Lauperswil und Rüderswil die Bewilligung zum Bau der ersten Brücke über die «Aemme gegen Lauperswil». M GNÄDIGE HERREN
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11 Holzbrücken im Emmental ZOLL Pfennige «Erstlich ein jeder Möntsch so über die Brügg gat soll geben» Ein Krämer mit einer «Krätze» 6 Ross und Mann 2 Von einem beladenen Krämerross 8 Von einem beladenen Krämerross mit Käse, Anken, Ziger, Salz, Wein, Korn, Mehl, Fleisch, Wolle oder andere Ware 4 Von jedem Wagen 1 Von jedem Karren 6 Von einem Ochsen, Kuh, Rind, sei es klein oder gross 2 Von jedem Ross, so es an der Hand zum Märit oder davon geführt wird 2 Von einem Schwein 2 Von einem Kalb, Bock, Geiss oder Schaf 1 ie Erlaubnis zum Bau einer neuen Brücke machte die Regierung in erster Linie von der Höhe der allfälligen Zolleinnahmen abhängig. War sie der Ansicht, das eine neue Brücke Zolleinbussen für eine bestehende benachbarte Brücke zur Folge haben könnte, waren die Chancen der Brückengemeinden, dass ihr Gesuch bewilligt werde, gering. In der Regel wurde die Hälfte der Zolleinnahmen an den Staat abgeführt, der Rest war für den Unterhalt der Brücke bestimmt. Der Handel wurde dadurch stark erschwert. Um Zollgebühren zu vermeiden, gab es zum Teil sehr abenteuerliche Versuche, die Brücken zu umfahren, was wiederum den «Gnädigen Herren» missfiel. «Betriegerey und Verschlagnisse der Fuhrleute» beschäftigten die Behörden regelmässig. Die vielen im Umlauf befindlichen Geldwährungen erleichterten die Sache auch nicht. Es traf vor allem «Auswärtige», denn Gemeinden, die sich am Bau der Brücken beteiligten, waren von der Zollpflicht befreit. Generell verzichteten die «Gnädigen Herren» auf Investitionen in neue Strassen und damit auch in neue Brücken. Ihr Interesse galt allein, mit Zöllen und Posttaxen Geld zu verdienen. Je nach Interessenlage wurde die Handelstätigkeit teilweise stark beschränkt. So wurde 1765 der Gemeinde Trub gestattet, eine eigene Brücke über die Ilfis zu bauen, allerdings mit der Einschränkung, dass diese nur für den Gebrauch von «mentschen, viech und kleinen fuhrwerken, nit aber für güter wägen» dienen dürfe. Im Zuge der allgemeinen Liberalisierung des Handels im 19. Jahrhundert wurden die hinderlichen Zölle schrittweise abgeschafft. 1844 gab es nur noch an den Kantonsgrenzen Zollstationen. 1853 fielen die Strassenzölle durch Bundesgesetz endgültig weg. D Auszug aus dem Zolltarif von 1791. Die Tarife wurden im Verlauf der Jahre immer komplizierter. Die umfangreiche Auflistung umfasst von A (Asche, Anken, Amseln) bis Z (Ziger, Zinn, Zucker) über 300 Positionen. Die Zölle von 1553 für die Lauperswiler- brücke waren noch recht einfach gehalten. Mittelalter Die Zolltafel der Brücke von Lützelflüh M O P
12 Buholzer/Fuchs Bis ins Mittelalter hinein wurden Brücken aus hölzernen Stützen gebaut: in den Boden gerammte Pfähle, die durch Querbalken miteinander verbunden wurden und so ein Joch bildeten. Auf die Querbalken kamen Längsbalken zu liegen, auf die wiederum quer Bretter zu liegen kamen, welche die Fahrbahn bildeten. Dieses Grundprinzip wurde fast zwei Jahr- tausende lang ohne grosse Veränderung angewendet. Noch die 1300 Jahre später errichtete Kapellbrücke in Luzern folgte diesem System. Mit der Zeit kamen anstelle von Holzpfählen vermehrt gemauerte Steinpfeiler zum Einsatz. Mit Diagonalstreben und Spannriegeln konnten die Abstände zwischen den Jochen vergrössert und damit auch deren Anzahl reduziert werden. Neben Wassergrössen drohten den Jochbrü-
13 Holzbrücken im Emmental JOCHBRÜCKEN Die 1584 erstellte Brücke von Lützel- flüh hielt allen Hoch- wassern stand, wohl auch dank dem weiten Abstand ihrer Jochpfeiler. 1902 wurde sie durch eine Eisengitterbrücke ersetzt. Bild (Ausschnitt): «Lützelflüh und Schloss Brandis» von Johann Wolfgang Kleemann (Gouache), datiert 1780 © Original im Langnauer Regional- museum «Chüechlihus» Mittelalter cken die grösste Gefahr durch die Flösserei. Da die Flüsse des Emmentals wegen der Untiefen nicht schiffbar waren, wurde viel geflösst. Zum Teil sehr grosse Flosse, beladen mit Käse, Butter und Vieh, fuhren die Ilfis und Emme hinunter. Die schwer zu steuernden Ungetüme prallten auf die Joche der Brücken und fügten diesen teilweise grossen Schaden zu und beschädigten auch Uferverbauungen und Dämme. 1597 verbot die Regierung die Befahrung der Emme mit Molkenflössen, die schwere Lasten von Butter und Käse trugen. Ein Verbot, das schwer durchzusetzen schien und regelmässig erneuert werden musste. 1766 wurde wenigstens die Grösse der Flösse begrenzt, die Schäden aber blieben. Das neue generelle Verbot von 1870 ging zeitlich mit der Zunahme der befahrbaren Strassen einher, womit die Bedeutung der Flösserei stark zurückging. O
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15 Holzbrücken im Emmental Der bekannteste Brückenbauer und Zimmermeister der Schweiz war der Appenzeller Hans Ulrich Grubenmann (1709-1783) – leider setzte er nie einen Fuss ins Emmental. Er baute Holzbrücken, Kirchen sowie zahlreiche Privathäuser und Staatsbauten. Seine 1757 fertiggestellte Brücke über den Rhein bei Schaffhausen ZIMMERLEUTE is zum Aufkommen der wissenschaftlich ausgebildeten Ingenieure im 19. Jahrhundert oblag der Brückenbau dem Zimmermann. Seine Ausbildung lag in der Praxis. Das Fachwissen bestand aus überliefertem Wissen, Erfahrungswerten und einem guten technischen Vorstellungsvermögen. Das «mechanische Genie» stand im Vordergrund, statische Erkenntnisse waren unbekannt, das «Gefühl» für das Kombinieren verschiedener Konstruktionssysteme war bestimmend. Die Masse wurden durch einfache geometrische Konstruktionen und Proportionen ermittelt. Die Verhältniszahlen stellten das Handwerksgeheimnis der Zimmerleute dar. Der Zimmermeister agierte als «Generalunternehmer» und erstellte Pläne, machte Modelle und errechnete Kostenvoranschläge. Auch übernahm er die vollständige Ausführung des Baus inklusive der Beschaffung des Materials. Schriftliche Verträge zwischen Bauherrn und Zimmermeister waren auf dem Land nicht üblich. Die Abmachungen wurden per Handschlag bekräftigt, es gehörte zur Berufsehre, dass man zum gegebenen Wort stand. Unter den Handwerkern nahm er eine besondere Stellung ein, er verfügte über einen besonderen Berufsstolz und gehörte einer Zunft an. Durch die vorgeschriebene, mindestens drei Jahre dauernde Wanderzeit war er in der Regel weltgewandt und beherrschte eine Fremdsprache. Auch in seiner Kleidung unterschied er sich: ein schwarzer Anzug und ein zünftiger Hut waren sein Markenzeichen. B In manchen Brücken des Barocks wird der Name des Zimmermeisters erwähnt, wie hier in der Sidelenbrücke im Trub. Barock O mit einer sagenhaften Spannweite von 120 Metern war seinerzeit weltberühmt (R S. 203) O
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17 Holzbrücken im Emmental ie heute erhaltenen Brücken, die von Zimmermeistern erbaut wurden, stammen alle aus dem Barock, der im Emmental etwas länger anhielt als anderswo. So können noch in der 1834 erbauten Horbenbrücke vereinzelte Barockelemente entdeckt werden, obwohl zu dieser Zeit der Klassizismus angesagt war. Ein Hauptmerkmal des «Emmentaler Brückenbarocks» ist die Üppigkeit des verwendeten Holzes und die Dimensionierung der Balken. Mächtige, von Hand mit dem Beil zugehauene Hängepfosten aus Eiche sind die Regel. Sie können Durchmesser von mehr als einem halben Meter aufweisen wie in der Ramseren- brücke. Auch an anderen Orten wurde mit Holz nicht gespart. Ebenfalls charakteristisch sind die runden Büge – übereck eingefügte und eingezapfte Hölzer, die gebogen sind und die Pfosten versteifen – und die Holzverbindungen, die zum grossen Teil mit Holznägeln und Dübeln erstellt wurden. BRÜCKEN D Holzbrücken im «Emmentaler Barock» Burgdorf Innere Wynigenbrücke 1776 R S. 65 Langnau Ramsernbrücke 1793 R S. 105 Langnau Moosbrücke 1797 R S. 109 Trub Sidelenbrücke 1808 R S. 169 Sumiswald Schwandbachbrücke unbek. R S. 165 Barock
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19 Holzbrücken im Emmental it der Höhenlage, seinem Klima und den nicht zu feuchten und nicht zu sonnigen Standorten bietet das Emmental ideale Bedingungen für Nadelbäume, die mächtige Dimensionen aufweisen können. Lange und gerade Fichten und Tannen lieferten seit jeher das Holz für den Bau von Brücken, wobei die Fichte mit ihrer sehr guten Spaltbarkeit und ihren langen Fasern in der Regel der Tanne bevorzugt wurde. Nadelholz ist in Faserrichtung fast zehnmal stärker belastbar als quer dazu. Vor allem die Fichte ist sehr elastisch und hat so ein optimales Verhältnis von Eigengewicht zu Biegefestigkeit, eine wichtige Voraussetzung für weitgespannte Konstruktionen. Sie kann als einfacher Balken wirtschaftlich eine Spannweite bis zu fünf Metern frei überspannen. Holzteile, die mit Wasser in Verbindung kommen (was tunlichst zu vermeiden ist), sind aus Eichenholz. Eichenholz widersteht am besten dem Wechsel von Nässe und Trockenheit. Die Widerlager der 1839 erbauten Haslebrücke waren auf einem Pfahlrost von je 120 Pfählen errichtet, wobei die äusseren Pfahlreihen aus Eiche, die inneren aus Weisstannen bestanden. Auch für die Fahrbahn kamen Eichenbohlen zum Einsatz. Der Holzbedarf für den Bau einer grossen Brücke war teilweise sehr beachtlich. Als 1837 die grosse «Wassernot» die drei Brücken von Schüpbach, Zollbrück und Hasle zerstörte, wurden für deren Neubau je 500 Bautannen benötigt, was zu einem akuten Holzmangel führte. Das Schlagen der Bäume und deren Transport gehörten noch im 19. Jahrhundert zum Akkord des beauftragten Zimmermanns. Gefällt wurde in der Zeit von November bis Mitte Februar. Dies passte gut in den Jahresablauf des Zimmermanns, da um diese Zeit die Witterung zu schlecht für Arbeiten auf dem Bauplatz war. STÄMME M Konstruktion
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21 Holzbrücken im Emmental O ür den Bau von Holzbrücken wurde im Emmental bis 1979 ausschliesslich Massivholz verwendet. Die Stämme mussten zu eckigen Kanthölzern, Balken und Brettern zersägt und zugehauen werden – was bis zum Auftauchen der ersten Sägemühlen von Hand geschah. Die Balken sind meistens mit einfachen Zapfen verbunden, d.h. in einem Holzteil wird ein rechteckiger Schlitz und im anderen Holzteil ein Zapfen geschnitten. Die Breite des Zapfens ist in der Regel ein Drittel der Holzstärke des stärkeren Holzes, der Schlitz ist immer in Richtung der Maserung rechteckig geschaffen, um das gelochte Holz nicht zu sehr zu schwächen. Der Zapfen verhindert das Drehen des Holzes. Der Zimmermann hatte eigene Werkzeuge (das «Zimmermannsgeschirr»): ein Winkeleisen zum Anreissen der Hölzer, eine Axt zum Schlagen und Putzen von Zapfen und Blättern, ein Stemmeisen und ein Klopfholz zum Stemmen der Zapfenlöcher, eine Axt zum Ausschlagen von Zapfenlöchern und eine Säge, die für den Transport zerlegt werden konnte. Vom Zimmermeister, dem Arbeitgeber, zu stellen war eine Axt zum Holzfällen und Behauen der Stämme, ein Beil zum geraden Behauen und Putzen der Stämme, eine Säge zum Längsaufteilen von Stämmen, eine Säge zum Ablängen von Stämmen und Kanthölzern sowie Setzwaage, Lot, Stechzirkel und Handbohrer. Über dreihundert Jahre lang – von 1500 bis 1800 – blieben diese Werkzeuge praktisch gleich. F BALKEN Das klassische Werkzeug des Zimmermanns für das Behauen der Stämme war das Breitbeil. Aus «Das Ital. Ständebuch», 1641 Ausheben eines Zapfloches mit einer Kreuzhacke Konstruktion P
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23 Holzbrücken im Emmental bbundzeichen, auch Bundzeichen genannt, sind Buchstaben, Ziffern, Symbole und Muster der Zimmerleute, die zum schnellen und sicheren Zuordnen und Zusammensetzen der Bauteile im Verbund dienen. Als Abbund wird der Vorgang bezeichnet, bei dem das Gefüge der hölzernen Fachwerkkonstruktion hergestellt und mit den angemessenen Holzverbindungen zusammengefügt wird. Die Bauteile wurden von den Zimmerleuten auf dem Abbundplatz bearbeitet, zurechtgesägt und probeweise zusammengesetzt. Dabei wurden die jeweils zusammengehörenden Bauteile mit einem einfachen graphischen Symbol, dem Abbundzeichen, versehen, sodass beim endgültigen Aufbau ein korrektes und zügiges Zusammensetzen möglich war. Die Symbole befanden sich auf der Bundseite, auf der die unterschiedlich dicken Bauteile in der Regel auf einer Flucht liegen. Die Aufzählung der Hölzer erfolgt durch die Notierung mit römischen Zahlen. Eine Besonderheit ist, dass die Zahl 4 oft nicht als «IV», sondern als «IIII» markiert wird, um Verwechslungen zu vermeiden. Ebenso wird die Zahl 9 als «VIIII» dargestellt. A ABBUNDZEICHEN Für das Anbringen der Abbundzeichen benutzte der Zimmermann die Bundaxt, die er auch für kleinere Holzverbindungen wie Zapfen und Zapflöcher gebrauchte. Abbundzeichen an der Ramsernbrücke (R S. 105) Konstruktion M O
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25 Holzbrücken im Emmental VERBINDUNGEN olz kann mühelos Druckkräfte übertragen. Auf Zugkräfte beanspruchte Anschlüsse waren für die Zimmerleute aber eine gewaltige Herausforderung. Hilfsmittel wie geschmiedetes Eisen fanden wegen ihrer hohen Kosten erst später verbreiteten Eingang in das Bauwesen. Darüber hinaus galt es den stolzen Zimmerleuten aber auch nicht als zimmermannsgerechtes Verbindungsmittel. So findet sich in Beschreibungen alter Konstruktionen auch häufig der stolze Hinweis, dass am gesamten Bau kein Eisen verwendet wurde. Um zu verhindern, dass ein Zapfen aus dem Zapfenloch rutscht oder ein Blatt oder Kamm abhebt, wurden Holznägel verwendet, abgerundete oder vielkantige Holzstücke, die in ein vorgebohrtes Loch in der Holzverbindung H Verwendung eines Holznagels an der Ramsernbrücke (R S. 105) Konstruktion Die gebräuchlichste zimmermannsmässige Balkenverbindung war die Verbindung mit kantigen Zapfen. Sie wird durch das Schneiden oder Stemmen eines rechteckigen Loches (Schlitz) in einem Holzteil und das Schneiden eines korrespondierenden Vorsprungs (Zapgeschlagen wurden. Wenn mehrere Nägel gesetzt wurden, befanden sich diese in Faserrichtung nicht nebeneinander, damit ein Spalten des Balkens durch die Spreizkräfte der Nägel nicht gefördert wird. fen) im anderen hergestellt. Der Vorteil: Der Kantzapfen verhindert das Drehen der Hölzer. Während er der Zapfen recht einfach auszubilden ist, ist der Schlitz beim Blindzapfen aber recht arbeitsaufwendig. Es muss genau und passfest gearbeitet werden, um die Fäulnisgefahr durch Ansammlung von Wasser im Zapfenloch zu vermeiden. F
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27 Holzbrücken im Emmental ine Holzbrücke ohne Dach ist im Emmental kaum vorstellbar. Neue Konstruktionen wie die 2001 gebaute Schachenhausbrücke in Trubschachen oder später die Obermattbrücke in Emmenmatt sind zwar ohne Dach erstellt worden, sie werden jedoch kaum als Holzbrücken wahrgenommen. Das Bild der «Hüslibrücken» ist tief in der Wahrnehmung der Emmentaler verwurzelt. Während viele Zimmerleute mit dem Bau einer Brücke fachliches Neuland betraten, konnten sie beim Bau des Brückendaches auf ihre Kenntnisse zurückgreifen, die sie mit dem Bau von Häusern und Scheunen erworben hatten. Das Dach ist da, um die Konstruktion gegen die Witterung zu schützen. Ältere Brücken besitzen ein weit auskragendes Dach zum Schutz vor schrägeinfallendemRegenundSchnee. Die Dächer der grossen Bogenbrücken aus den 30er-Jahren des 19. Jahrhunderts sind nicht so gross, weil die Brücken seitlich vollständig verschalt sind und die Tragwerke damit im Trockenen liegen. Weitere Aufgaben der Dachkonstruktion sind, einerseits die Hängewerke links und rechts der Fahrbahn gegenseitig zu verstreben und zu stabilisieren und andererseits die Windkräfte über die Träger auf das Widerlager abzuleiten. Hier erweisen sich die geschlossenen Fronten der Bogenbrücken als Nachteil, denn sie bieten dem Wind eine grössere Angriffsfläche – im Gegensatz zu Brücken mit halbhohen Brüstungen, die dem Wind Durchzug gewähren. Die Windkräfte müssen daher durch im Dachstock angebrachte Windverbände – in der Regel Balkenkreuze – abgeleitet werden. Die obligate Ausnahme bildet die Eggiwiler Horbenbrücke (R S. 89), die seit über 170 Jahren ohne oberen Windverband auskommt. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts trugen alle Brücken traditionelle Emmentaler Viertel- oder Halbwalmdächer, eine Dachform, die nicht nur auf der Traufseite, sondern auch auf der Giebelseite – der kurzen Seite – geneigte Dachflächen hat und damit dem Wind weniger Angriffsfläche bietet. Ob weit auskragende Dächer oder seitliche Verschalung: beides bewirkt, dass es in den Brücken dunkel ist. E DACHBAU Konstruktion
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29 Holzbrücken im Emmental edeckt wurden die Dächer wie im Hausbau üblich traditionell mit Schindeln. Schindeln vermögen grosse Schneelasten zu tragen, ihr Gewicht ist gering, zudem sind sie langlebig und – da aus einheimischem Holz – billig. Eine handgefertigte Schindel hält 80-100 Jahre. Grau wird sie in einem Jahr. Der Schindelmacher muss vier Regeln beachten: das richtige Holz, vom richtigen Ort und zur richtigen Zeit schlagen sowie es richtig verarbeiten. Die Schindel muss so auf das Dach zu liegen kommen, wie der Baum gewachsen ist. Das heisst, die Wurzel soll nach unten zeigen und die Krone nach oben, damit das Wasser dem natürlichen Faserverlauf entlang abfliessen kann. Darum können Schindeln nur von Hand gespalten werden, Sägen würde die Fasern verletzen. Das Holz muss hohen Ansprüchen genügen, es darf beispielsweise nicht astig sein, und wird speziell ausgewählt. Geeignet sind nur Bäume, die eine sogenannte «Linksdrehung» aufweisen und die von Hand aufgespalten wurden, damit sich das Holz nach dem Bearbeiten nicht verdreht und seine Form behält. Gespalten wird nach Augenmass. Die Schindeln müssen flach sein, damit sie dreilagig auf dem Dach befestigt werden können; deshalb eignen sich krumm gewachsene Bäume zur Herstellung von Schindeln nicht. Das «Berner Dach» ist ein 3fach-Dach: Drei bis vier Lagen werden versetzt übereinander genagelt. Die Schindeln sind rund 51 cm lang und 2 bis 3 mm dick. Die Distanz von Unterkante zu Unterkante beträgt 16 cm. Vereinzelt wurden Brücken auch mit Ziegeln bedeckt wie in Burgdorf die Innere Wynigenbrücke. Im Verlauf des 20. Jahrhunderts wurden viele der leicht entflammbaren Schindeldächer durch Dächer mit Eternitplatten ersetzt. G BEDECKUNG Konstruktion
30 Buholzer/Fuchs Beim Hängewerk befindet Die Streben übertragen de Schwandbach- brücke im Wasen O Me Dop Strebe P Einf Geissbachbrücke im Eggiwil O Räbelibrücke im Schangnau O
31 Holzbrücken im Emmental S HÄNGEWERKE preng- und Hängewerke wurden bei den Jochbrücken eingesetzt, um den Abstand zwischen den Brückenpfeilern zu vergrössern. Beim Sprengwerk befindet sich das tragende Gerüst unterhalb der Fahrbahn, die Streben übertragen den Druck seitlich auf die Pfeiler. Beim Hängewerk befindet sich das Gerüst über der Fahrbahn, die Streben übertragen den Druck entweder über Streckbalken oder direkt von oben auf die Pfeiler. Mit diesen beiden Systemen, die kontinuierlich weiterentwickelt und oft kombiniert angewendet wurden – unter anderem auch in den Dachstühlen der Emmentaler Bauernhäuser –, konnten Spannweiten für Brücken erreicht werden, die ausreichten, um kleinere Flüsse zu überqueren. So entstand 1793 mit der Ramsernbrücke die erste pfeilerlose gedeckte Holzbrücke im Emmental über die Ilfis mit einer Spannweite von 26 Metern. Dabei musste der Zimmermeister auf ein stützendes Sprengwerk verzichten. Sprengwerke müssen so angebracht werden, dass das Gerüst auch bei Hochwasser trocken Beim Sprengwerk befindet sich das tragende Gerüst unter der Fahrbahn. Die Streben übertragen den Druck auf die Widerlager. Einfaches Sprengwerk sich das tragende Gerüst über der Fahrbahn. en Druck auf die horizontalen Streckbalken. Konstruktion ehrfaches Hängewerk ppeltes trapezförmiges Hängewerk Spannriegel N M Streckbalken O Hänge- P pfosten O Strebe faches dreieckförmiges Hängewerk bleibt, das heisst, der Abstand zwischen Brücke und Wasser muss genügend gross sein (Freiwasser), damit hölzerne Brückenteile nicht mit Wasser in Berührung kommen. Im Emmental mit seinen flachen Bach- und Flussbetten würde eine Tragkonstruktion unter der Brücke unweigerlich nass werden, was tunlichst zu vermeiden ist. Darum kommt diese Konstruktionsart in dieser Region nicht vor, Emmentaler Brücken sind nicht gestützt – sie hängen.
32 Buholzer/Fuchs Von Eggiwyl hinweg führen nur zwey Fahrstrassen; die einte südwestlich auf Röthenbach, Diesbach, und Thun; an ersteres Ort eine Stunde, in welcher Strecke sie dreymal durch den Bach gleichen Namens geht; nach Diesbach aber 3, und nach Thun 5 Stunden. Die andere läuft durch den eggiwylerschen Thalgrund hinaus, geht zwischen Zimmerzey und Horben das erstemal durch den Emmenfluss, und führt auf Aeschau. Hier kann man auf Signau zwey Wege einschlagen; der einte führt hier wieder durch die Emme, geht auf Ramsey, Mutten u., und der andere geht untenher Aeschau eine Strecke von beynahe einer Viertelstunde über das Emmenbette, läuft vorerst links, dann wieder rechts durch den Fluss, nach den nach Signau pfarrgenössigen Heimwesen Bubeney, und geht untenher diesen Höfen, das 4te und letztemal durch die Emme. Der erstere ist der kürzere, aber auch der beschwerlichere, weil er duch zwey Reine steil hinauf und hinab geht, und daher nur für kleinere Gefehrge fahrbar ist. Der letztere ist die eigentliche Hauptstrasse von Eggiwyl nach Bern, Burgdorf, Langnau und Schangnau u.; sie ist ordentlich unterhalten, aber bey Anschwellung der Emme, ist begreiflich die Pasage ge-
33 Holzbrücken im Emmental 19. Jahrhundert VERKEHR «Confluent Ilfis und Emme» von Charles Gleyre um 1830 zeigt den «Emmenspitz», wo die Ilfis zwischen Langnau und Zollbrück in die Emme mündet. Links im Hintergrund ein für diese Zeit üblicher Steg. Es dürfte sich um eine Vorläuferin der heutigen Obermattbrücke handeln. Die bernischen Landstrassen zeichnen sich durch eine treffliche Unterhaltung vorzüglich aus, und sie können den Reisenden zu einem Merkmal dienen, dass er hier in das Gebiet einer glücklichen Republik tritt.». Diese Lobeshymne eines Reisenden von 1796 betraf die teilweise von Bäumen gesäumten Chausseen im Flachland, die strahlenförmig auf Bern zuliefen. Grund für den Reisekomfort dieser Transitstrecken waren die Einnahmen aus Zoll und Gebühren, die einen grossen Teil der Staatseinnahmen ausmachten und die ohne gute Strassen auszufallen drohten. Weniger frequentierte Gegenden wie das Emmental gehörten in dieser Beziehung nicht zur «glücklichen Republik». Christian Haldemann, ein Landwirt in Horben, verfasste 1827 die «Topographische, statistische und ökonomische Beschreibung der Gemeinde Eggiwyl». Sie zeigt die Probleme des Fuhrverkehrs in dieser brückenlosen Zeit, so führte die «eigentliche Hauptstrasse» Richtung Bern viermal durch Furten durch die unverbaute Emme, wobei bei der Rabenfluh unterhalb Aeschau die Wagen 600 Meter durch das Flussbett fahren mussten: hemmt, welches auch noch auf Röthenbach durch Anlauf des dasigen Baches zum öftern geschieht, so dass aller Verkehr mit Eggiwyl wegen Mangel der nöthigen Brücken gesperrt wird. Man kann die Nachtheile hievon sich leicht vorstellen, indeme manches Fuhrwerk in der Frühe fortfährt, und Abends wegen Anlauf des Wassers nicht wieder nach Hause kommen kann, einerseits; und anderseits müssen manchmahl die Küher bey ihrer Auf- und Abfahrt ihr Sennethum und unentbehrlichen Geräthschäften, – ja ihre ganze Habschaft dadurch auf das Spiel setzen, ohne noch an die Käse- Frucht- Salz- und andere Führungen zu gedenken. O wie oft entstuhnden wegen diesen gefährlichen Durchpässen die grässlichsten Unglücke! Möchte diesem Uebel nach dem einmüthigen Begehren der Gemeinde Eggiwyl, durch Anlegung der nöthigen Brücken vermittelst Beyhülfe der hohen Regierung abgeholfen werden. Christian Haldemann «Topographische, statistische und ökonomische Beschreibung der Gemeinde Eggiwyl», 1827 O
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35 Holzbrücken im Emmental 19. Jahrhundert b 1730 nahm die Bevölkerungszahl im Voralpengebiet sehr stark zu, beispielsweise im Oberen Emmental in den 28 Jahren von 1818 bis 1846 um über 30 Prozent. Damit stieg auch der Bedarf an Holz. Für die Kochherde und Stubenheizungen – Kachelöfen waren noch unbekannt – wurden grosse Mengen an Brennholz benötigt. Die vermehrte Bautätigkeit verlangte nach mehr Bauholz. Noch im 18. Jahrhundert war das Emmentaler Haus mit Ausnahme der gemauerten Fundamente ein reiner Holzbau, die Dächer wurden mit Holzschindeln gedeckt. Das einheimische Gewerbe verlangte nach mehr Holz: Rinde für die Gerber, Holzkohle für die Schmiede und Holzasche für die Lauge, die im damals sehr verbreiteten Leinwandgewerbe verwandt wurde. Auch die Käser, Milchzuckerbrenner, Töpfer, Glasbrenner und Köhler brauchten Holz. Da die Bevölkerungszahl auch im Mittelland stieg und damit die Nachfrage nach gutem emmentalischem Bauholz, nahm der Holzhandel ungeahnte Ausmasse an. Immer mehr Bäume wurden gefällt und die Emme hinuntergeflösst, die Waldflächen nahmen ab. Diese wirtschaftliche Dynamik war der Obrigkeit des «Ancien Regime» ein Dorn im Auge. Sie unterband den Holzexport aus dem Emmental, der lebensnotwendige Rohstoff sollte dem Land erhalten bleiben und nicht zuletzt auch den ärmeren Bevölkerungsschichten zur Verfügung stehen, die unter den steigenden Preisen litten. Die unliebsamen Mandate der Regierung wurden aber mehr oder weniger kaum befolgt. Auch ging die Macht der «Gnädigen Herren» nicht soweit, als dass sie den Wald wirkungsvoll schützen konnten, und immerhin waren sie die grössten Waldbesitzer im Emmental. Die liberale Regierung der nachfolgenden Regenerationszeit sah in der steigenden Nachfrage wirtschaftliche Chancen. Die im bernischen Aargau entstandenen Industriebetriebe oder die von Roll’schen Eisenwerke im solothurnischen Gerlafingen benötigten für ihre HochA Waldreiche Güter waren in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Ausnahme. DIE GROSSE «WASSERNOTH» O
36 Buholzer/Fuchs Ehedem wurde der Wald vom Bauer angesehen wie sein Sparh man nur in auÏerordentlichen Fällen angrei˝. Begann ein B nen Wald zu schwächen, so ward er al‚ ein werdender Hudel an Der Wald bildete die letzten Äste, woran sich einer hielt auf einm nun der Wald alle‚ ertragen. Er war fa¤ wie ein gefundene‚ da‚ man nicht schont, wie gefundene‚ Geld, aus dem man Å zugute tut. Der Wald muß zinsen; der Wald muß Kindbetti ha Wald muß Ehe˝euer geben, den TroÍel liefern; er muß Wei Töchtern, die nicht immer Erdäpfel mögen, da‚ Geld liefern, B dem Wirt‚hause zu holen. Hat der Bauer gehudelt, einen, zw und reut ihn da‚ Geld, so geht er durch den Wald und nimmt Ersatz. Möchte er gerne hudeln und hat kein Geld, er geht d Wald und nimmt au‚ ihm, wa‚ ihm fehlt. I¤ sein Wald erschöpft, so verkauft er sein Heimwesen, kau˝ ein andere‚, etwa‚ verkaufbare‚ Holz ist. Aus dem werden die neuen Erwe be˝ritten unwiederum die alten Sünden, bi‚ auch nicht‚ meh kaufen i˝, kein alte‚ Holz mehr da i˝, wohl aber die alten Sün diese Weise geht eine sehr große Menge de‚ erlö˝en Gelde‚ au Heimwesen wird ganz entholzet, manche Hau‚haltung wird und geht zugrunde. Jeremias Gotthelf: Der Bauer und das H
37 Holzbrücken im Emmental 19. Jahrhundert hafen, den BeÅtzer sein gesehen. mal sollte ‚ FreÏen, Åch etwa‚ alten; der ibern und Brati‚ aus wei Tage, t au‚ ihm durch den durchau‚ wo noch erb‚kosten hr zu vernden. Auf u‚, manch liederlich Holz (1840) öfen zunehmend mehr Brennholz, was die Holzpreise nochmals enorm steigen liess und die liberale Berner Regierung 1831 bewog, die Wälder zu privatisieren und den Holzexport auf der Emme erstmals freizugeben. Nun konnte ohne Einschränkung jede Menge Holz geschlagen und auf der Emme geflösst werden. Die Annahme der Regierung, dass nun die Emmentaler Bauern ihre Wälder wieder vermehrt aufforsten würden, um die Nachfrage laufend befriedigen zu können, erwies sich jedoch als verhängnisvoller Irrtum. Statt Holz nachwachsen zu lassen, wurden die vorhandenen Ressourcen geplündert. Spekulanten und Holzhändler aus nah und fern kauften im Emmental waldreiche Güter, um sie nach der Abholzung wieder zu verkaufen. Mancher Waldbesitzer erlag den Verlockungen des schnellen Geldes. Viele wandten sich von der traditionellen Nutzung des Waldes in Hanglagen ab. Statt nur einzelne Bäume aus dem Wald zu schlagen und damit die Rutschungen des Waldbodens zu vermeiden, wurde systematisch ein grossflächiger Kahlschlag vorgenommen. Das Regenwasser versickerte nicht mehr im mit Nadeln, Laub und Ästen bedeckten Boden, sondern floss ungehindert die Hänge hinunter, wusch die Böden bis auf die Nagelfluh blank und liess die Talflüsse immer stärker anschwellen. Sechs Jahre nach dem verhängnisvollen Beschluss der Regierung war es dann soweit. Am 13. August 1837 ereignete sich die seit Menschengedenken grösste Überschwemmungskatastrophe, die das Emmental je erlebt hatte. «Es brüllte in hundertfachem Widerhall der Donner, tausend Lawinen donnerten aus den zerrissenen Seiten der Berge nieder ins Tal.» So beschreibt Jeremias Gotthelf in «Die Wassernoth im Emmental» den Anfang der Tragödie. Nach tagelangen schweren Gewittern über dem fast völlig entwaldeten HoneggGebiet schwollen der Röthenbach und andere bisher mehr oder weniger harmlose Nebenbäche zu einem reissenden Strom an, der Unmengen an Geschiebe, Geröll und ganze Baumstämme mitführte. Die von der Flutwelle mitgeschwemmten Holzstämme und -balken stauten sich an den Pfeilern der Brücken und Stege, die unter dem zunehmenden Druck brachen. War dieses Hindernis überwunden, stürzte sich die «Emmenschlange», einer Tsunamiwelle gleich, auf das nächste Hindernis, DIE GROSSE «WASSERNOTH»
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39 Holzbrücken im Emmental 19. Jahrhundert «Weithin erblickt das Auge nichts als Zerstörung.» Aufruf der Regierung an die Hilfsbereitschaft der von der Überschwemmung verschonten Mitbürger. das sich ihr in den Weg stellte. «Auf einmal erscholl der Emme Gebrüll in dem friedlichen, sonntäglichen Gelände. Man hörte sie, ehe sie kam, lief an die Ufer, auf die Brücke. Da kam sie, aber man sah sie nicht, sah anfangs kein Wasser, sah nur Holz, das sie vor sich her zu schieben schien, mit dem sie ihre freche Stirne gewappnet hatte zu desto wilderem Anlauf. Mit Entsetzen sah man sie wiederkommen, so schwarz und hölzern und brüllend, und immer höher stieg das Entsetzen, als man Hausgeräte aller Art daherjagen sah: Bütten, Spinnräder, Tische, Züber, Stücke von Häusern, und diese Trümmer kein Ende nahmen und der Strom immer wilder und wilder brauste, immer höher und höher schwoll. Dem wilden Strome war auch diese Brücke im Wege. Er stürmte mit Hunderten von Tannen an deren Jöcher, schmetterte Trämel um Trämel nach, stemmte mit grossen Haufen Holz sich an, schleuderte in wütendem Grimme ganze Tannen über Eintrag im Totenrodel von Eggiwil: «7. September 1837, Elisabeth Fankhauser, Christens und der Anna, geb. Blaser Kind, von Trueb, sonst an der Oberei, Kirchhöre Röthenbach, alt 11 Jahre. Es wurde auf den 6ten Sept. in einem Haufen Holz mit starker Verwesung beim Haus des Bendicht Dolder im Tennli aufgefunden. Nachdem es nebst der Oberei Säge, auf die es sich geflüchtet, am 13. August von der Röthenbach Flut war fortgerissen worden. Angegeben von seinem Vater.» diese Haufen weg an die Brücke empor wie Schwefelhölzchen, brachte endlich das Dach einer Brücke und verschlug damit die Bahn zwischen beiden Jöchern. Da krachte die Brücke, und hochauf spritzten die Wasser mit jauchzendem Gebrülle.» beschrieb Gotthelf den Anblick, der sich der verängstigten Bevölkerung bot. Es war das Ende der fast dreihundert Jahre dauernden Epoche der mittelalterlichen Jochbrücken. Mit Ausnahme der pfeilerlosen Horbenbrücke im Eggiwil, der schwer beschädigten Lützelflühbrücke und der an einem Nebenarm der Emme gelegenen Wynigenbrücke in Burgdorf fielen alle Brücken und Stege der entfesselten «Emmeschlange» zum Opfer. Opfer forderte sie auch an Menschenleben. Es traf die Ärmsten der Armen: das Landproletariat, das die unwirtlichen und unsicheren Flussufer besiedelte. Viele verloren ihr Hab und Gut, manche auch ihr Leben. O M DIE GROSSE «WASSERNOTH»
40 Buholzer/Fuchs Er muss im schriftlichen Ausdruck gewandt sein, des Zeichenstiftes kundig, in der Geometrie ausgebildet sein, mancherlei geschichtliche Ereignisse kennen, fleissig Philosophen gehört haben, etwas von Musik verstehen, nicht unbewandert in der Heil- kunde sein, juristische Entscheidungen kennen, Kenntnisse in der Sternkunde und vom gesetzmässigen Ablauf der Himmels- erscheinungen besitzen. Johann Rudolf Gatschet (1805-1856) war Offizier und Ingenieur und entstammte einem alten, regimentsfähigen Burgergeschlecht. Nach seinen Plänen entstanden die neuen grossen Bogenbrücken, die nach der «Wassernoth» von 1834 errichtet wurden: die Schüpbachbrücke, die Zollbrücke und die Haslebrücke. Diese Bauwerke fanden weitherum grosse Beachtung und Bewunderung in Fachkreisen und bilden noch heute einen Schwerpunkt in der Emmentaler Holzbrückenlandschaft. Gatschet war ab 1838 Bezirksingenieur im Emmental und später Oberingenieur für den Strassen- und Wasserbau der kantonalen Baudirektion. 1847 war er als Oberstleutnant und Genie-Chef der eidgenössischen Truppen im Sonderbundskrieg beteiligt. Ferner galt er als begabter Dilettant in der Landschaftsmalerei und war an Ausstellungen beteiligt. Brückenbauten: – Bubeneibrücke, Signau/Lauperswil (1832) – Schüpbachbrücke, Signau (1837) – Zollbrücke (1837-1947) – Haslebrücke, Hasle-Rüegsau (1837) – Gohlhausbrücke, Lützelflüh (1843) Marcus Vitruvius Pollio (1. Jh.v.Chr.) «Die Ausbildung des Baumeisters»
41 Holzbrücken im Emmental 19. Jahrhundert ahrhundertelang lag die Projektierung und Ausführung von Brücken in den Händen der Zimmerleute. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts änderte sich dies mit dem Aufkommen der Ingenieure. Bis anhin vor allem im militärischen Bereich (z.B. im Festungsbau) beschäftigt, wurden sie im Kanton Bern zunehmend für zivile Zwecke engagiert. So entstand im 17. Jahrhundert im Kanton Bern ein viel beachtetes Netz von Kunststrassen, zu deren Errichtung Ingenieure beschäftigt wurden. Auch für die Herstellung von Karten und für die Korrektion von Gewässern wurden sie herangezogen. Traditionell Offiziersfamilien entstammend und wissenschaftlich ausgebildet, gehörten sie einer höheren Gesellschaftsschicht an als die Zimmerleute, die auch wegen der abnehmenden Bedeutung der Zünfte politischen Einfluss verloren. Der Ingenieur plante das Bauwerk und der Zimmermeister übernahm dessen Ausführung, die vom Ingenieur überwacht wurde. Die erste von einem Ingenieur geplante Holzbrücke im Emmental ist die 1834 erbaute Horbenbrücke im Eggiwil. Nach den Plänen von H.E. Lutz, «obrigkeitlicher Baumeister vom Tith. Baudepartement», entstand die erste von fünf Bogenbrücken des Emmentals, die innerhalb von fünf Jahren entstanden und von drei verschiedenen Ingenieuren geplant wurden. Diese teilweise sehr weit gespannten Bogenbrücken gehören heute zum Stolz der hiesigen Holzbrückenlandschaft und sind Zeugen der Ingenieurbaukunst. J Emile Oscar Ganguillet (1818-1894) studierte Naturwissenschaften an der Universität Bern, 1841-47 arbeitete er im Brücken-, Strassen- und Eisenbahnbau in Frankreich. 1847- INGENIEURE 94 stand er im bernischen Staatsdienst, ab 1866 als Kantonsoberingenieur. Er betreute u.a. auch die Juragewässerkorrektion. 1869 publizierte er zusammen mit Wilhelm Rudolf Kutter Formeln für die gleichförmige Bewegung des Wassers in Kanälen und in Flüssen, welche für lange Zeit Weltgeltung hatten. Mitbegründer des bernischen Ingenieur- und Architektenvereins. Brückenbauten: – Äussere Wynigenbrücke, Burgdorf (1858) – Dieboldswilbrücke, Eggiwil (1887) – Ölibrücke (1891) – Schachenhausbrücke (1891) – Steinbachbrücke, Trubschachen (1891) – Räbelibrücke, Schangnau (1892) Das Meisterwerk der damaligen Ingenieurkunst: die Haslebrücke von Johann Rudolf Gatschet (R S. 101). M
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43 Holzbrücken im Emmental 19. Jahrhundert BOGENBRÜCKEN Ein gekrümmter Balken kann rund das Siebenfache eines geraden Balkens tragen. Die Krümmung war eine aufwendige und langwierige Prozedur: Für den Biegevorgang wurde ein stabiles Gerüst aufgestellt. Der Balken wurde in der Mitte auf dem höchsten Punkt des Gestelles befestigt und dann langsam auf beiden Seiten abwärts gezogen. Während des Biegevorganges unterhielt man Bau- Spann- Balken- jahr weite lagen 1834 Horbenbrücke 42 m 4 S. 89 1837 Brunnmattbrücke 36 m 4 S. 157 1839 Schüpbachbrücke 48 m 4-6 S. 153 1839 Haslebrücke 59 m 7 S. 101 1839-1947 Zollbrücke 58 m 7 S. 47 unter dem Balken ein «gelindes» Feuer, die sich nach oben krümmende Seite wurde mit Wasser begossen. Die Dimension der Balken und die natürliche Biegsamkeit des Holzes bestimmten die Dauer des Vorganges. Die im gewünschten Radius gekrümmten Balken kamen in mehreren Lagen aufeinanderzuliegen. Das Gleiten der Lagen verhindert eine Zahnung der Balken. Da an den Zähnen Hirnholz auf Hirnholz trifft, werden an diesen Stellen Keile oder Dübel eingetrieben, die beim späteren Schwinden des Holzes weiter nachgetrieben werden. An die Bogen kamen Hängepfosten, deren unteres Ende mit Querträgern verbunden wurden, welche die Fahrbahn trugen. Der Bogen der Haslebrücke besteht aus sieben verzahnt und verdübelt aufeinanderliegenden Balken von 28 cm Breite und gesamthaft 125 cm Höhe. In der Mitte des Bogens gibt es noch eine zusätzliche Balkenlage. 1 3 2 4 3 4 O
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45 Holzbrücken im Emmental 19. Jahrhundert KLASSIZISMUS tilistisch bedeutete das Aufkommen der Brückenbau-Ingenieure den Wechsel vom Barock zum Klassizismus. Zu den modernen Wissenschaften, welche die Baukunst als Teil der angewandten Mathematik betrachteten, gehörte auch die Entwicklung der Baustatik. Neue Erkenntnisse, nach welchen Prinzipien die Teile eines Bauwerkes zu einem Ganzen zusammenzufügen sind, beeinflussten auch deren Gestaltung. Die im Barock vorherrschende Üppigkeit in Bezug auf Hölzer und deren mächtige Dimensionen hatte ein Ende. Die Resultate der rechnenden Ingenieure führten zu schlankeren Balken. Auch Verbindungen aus Eisen – von den Zimmerleuten traditionsgemäss nur ungern verwendet – wurden vermehrt eingesetzt. Da die Brücken seitlich vollständig verschalt wurden, waren auch die weit auskragenden Dachformen nicht mehr nötig. Während bis anhin die Vorbereitungsarbeiten fast ausschliesslich auf dem Abbundplatz, der sich in unmittelbarer Nähe des Bauortes befand, ausgeführt wurden, verlagerten sich die Anfertigung der Einzelteile zu den Maschinen. Wurde das Werkzeug bis anhin zum Holz gebracht, wurde das Holz nun zu den Maschinen gebracht. Statt barocke Rundungen dominieren symetrisch angeordnete geometrische Körper, rechte Winkel und gerade Linien. Im Zuge der zunehmenden Aufgabenteilung übernahmen Künstler die Dekoration der Bauwerke. Die sachlich monumentalen Formen der Eingangsportale der Haslebrücke stammen vom Berner Stadtbaumeister Johann Daniel Osterrieth, der auch die architektonische Gestaltung der Schüpbachbrücke übernahm, wie auch vier Jahre später die der neuen Gohlhausbrücke, deren Portale aber 1945 in Zusammenhang mit Verstärkungsarbeiten wieder entfernt wurden. Im Emmental gestaltete er 1811 die reformierte Kirche in Grosshöchstetten und 1830 das Pfarrhaus in Sumiswald. S Das Eingangsportal der 1839 errichteten Haslebrücke (S. 101) O
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